Vernetzte Fachkompetenz: Alle Fachpersonen an einem Tisch

Passend zum neuen Schuljahr: Im Rahmen eines Projekts der IV sollen Jugendliche, die mit körperlichen, mentalen oder psychischen Beeinträchtigungen konfrontiert sind, bereits ab der zweiten Sekundarstufe erkannt und unterstützt werden.

Gemeinsam mit unseren Partnern vom CM BB (Case Management Berufsbildung) von BildungsNetz Zug und dem Schulpsychologischen Dienst des Kantons (SPD) haben wir uns an einen Tisch gesetzt und über das Projekt «Früherfassung von Jugendlichen» gesprochen: Géraldine Rossi, Sandro Imfeld und Ramon Kunz erklären, was es mit diesem Projekt auf sich hat.

Vernetzte Fachkompetenz

Im Rahmen des Projekts zur Früherfassung von Jugendlichen («FE CM BB»), das von der IV-Stelle Zug ins Leben gerufen wurde, arbeiten die drei regelmässig zusammen. Ihre Hauptaufgabe besteht darin, Jugendliche beim Übergang von der Schule ins Berufsleben zu unterstützen und zu begleiten – frühzeitig. Warum ist das nötig und wie erkennt man Jugendliche, für die der Weg in die Lehre eine besondere Herausforderung darstellen könnte?

«Im Case Management Berufsbildung haben wir immer wieder erlebt, dass in der dritten Oberstufe Jugendliche angemeldet wurden, bei denen eine sogenannte Mehrfachproblematik vorhanden war. Das heisst, zu psychosozialen Themen kamen auch gesundheitliche Probleme dazu. Diese Jugendlichen kommen dann in eine Lehre und stehen vor grossen persönlichen Herausforderungen. Und eigentlich hätte es schon vorher erste Anzeichen gegeben, dass dieser Übergang schwierig werden könnte. So ist in der Zwischenzeit wertvolle Zeit vergangen, in der man bereits Hilfestellung hätte bieten können», erklärt Sandro Imfeld vom BildungsNetz Zug. Man müsse als Lehrperson genau hinsehen und so gut wie möglich vorausblicken. Sich fragen, in welche Richtung sich die Schülerin oder der Schüler entwickeln könnte. Viele Lehrpersonen täten dies aber bereits und stünden in regelmässigem Austausch mit dem CM BB. Trotzdem sei es wichtig, so früh wie möglich ansetzen zu können, um auch diffuse oder komplexe Fälle zu erkennen.

Géraldine Rossi (Schulpsychologischer Dienst des Kantons) und Sandro Imfeld (BildungsNetz Zug)

Beobachten, melden, gemeinsam handeln

Der Prozess startet pro Schuljahr jeweils mit einer Informationsveranstaltung auf der Jahrgangsstufe der zweiten Oberstufe einer Schulgemeinde. Dort sind Klassen- und Fachlehrpersonen, aber auch Heilpädagogen oder Schulsozialarbeiterinnen anwesend. «Wir können also alle involvierten Stellen für das Projekt sensibilisieren. Zudem stellen wir den von uns entwickelten Beobachtungsbogen vor. Damit können psychosoziale, gesundheitliche oder schulische Auffälligkeiten dokumentiert werden. Wird ein erhöhtes Risiko sichtbar, kann eine Anmeldung zur Früherfassung erfolgen – immer mit Einwilligung der Erziehungsberechtigten», präzisiert Sandro Imfeld.

Was dann folgt, ist besonders: Alle Fachpersonen kommen an einem Tisch für das sogenannte interdisziplinäre Beratungsgespräch zusammen, kurz IBG. An dieser Stelle werden der Schulpsychologische Dienst und die IV-Stelle beigezogen und auch die jeweilige Lehrperson nimmt daran teil. Während des einstündigen Gesprächs wird der Fall gemeinsam besprochen, Informationen werden zusammengetragen und Massnahmen vorgeschlagen.

«Alle Beteiligten sind sehr gut vorbereitet, man macht quasi eine gemeinsame Auslegeordnung des Falles. Wir tauchen richtig darin ein. Wenn wir vom SPD bereits zu einem früheren Zeitpunkt mit der Schülerin oder dem Schüler Kontakt hatten, bringen wir diese Unterlagen ebenfalls mit. Alle lassen ihr Wissen ihres jeweiligen Spezialgebietes einfliessen. Genau das macht die Stärke unseres Angebotes aus», resümiert Géraldine Rossi vom Schulpsychologischen Dienst des Kantons.

Konkrete Vorschläge mit auf den Weg geben

Ob eine IV-Anmeldung, ein therapeutisches Angebot oder alternative Bildungswege – im Rahmen des IBG entstehen konkrete Vorschläge und Empfehlungen, die den Lehrpersonen und den Eltern helfen, die nächsten Schritte zu gehen. «Es geht uns darum, kreative Lösungen zu finden und auch mal über den Tellerrand hinaus zu blicken», sagt Sandro Imfeld. Denn die Früherfassung für Jugendliche soll für die Lehrpersonen ein echter Nutzen sein. «Wir versuchen, den Aufwand für die Lehrpersonen möglichst gering zu halten. Das ist uns ein grosses Anliegen. Mit dem vorgefertigten Beobachtungsbogen ist uns dies gut gelungen», ergänzt er. Zwar müssten die Lehrpersonen den Bogen noch ausfüllen und das Einverständnis der Eltern einholen. Aber dafür erhielten sie anschliessend die Empfehlung einer ausgewiesenen Fachgruppe. Ramon Kunz von der IV-Stelle Zug unterstreicht dies: «Ein besonderes Merkmal des Projekts ist tatsächlich die enge Vernetzung zwischen CM BB, SPD und IV. Wenn man sich als betroffene Person selbst bei den einzelnen Fachstellen um eine individuelle Beratung kümmern müsste, ginge es wahrscheinlich deutlich länger, bis man zu einem vergleichbaren Ergebnis käme. Das ist der ganz grosse Vorteil: Alle Fachleute sitzen an einem Tisch und sie kommen schnell und effizient zu qualitativ guten Lösungsvorschlägen.»

Ramon Kunz von der IV-Stelle Zug spricht mit Géraldine Rossi und Sandro Imfeld über das gemeinsame Projekt «Früherfassung von Jugendlichen»

Kantonale Ausweitung auf den ganzen Kanton

Die Pilotphase in vier Schulhäusern verlief erfolgreich, die Rückmeldungen der Lehrpersonen waren positiv. Die Zusammenarbeit zwischen den Partnern CM BB, SPD und IV sei wertvoll und das Engagement spürbar, findet Géraldine Rossi. «Die Früherfassung ist eine riesige Chance für die Schülerinnen und Schüler. Für mich ist es ein absolutes Herzensprojekt», ergänzt sie. Ab diesem Schuljahr 2025/26 wird das Projekt auf den ganzen Kanton Zug ausgeweitet.

Auf die Frage, welche Botschaft sie den Betroffenen mitgeben möchten, bringt es Sandro Imfeld auf den Punkt: «Man sollte sich nicht scheuen, Hilfe anzunehmen – denn man kann nur gewinnen.» Gleichzeitig sei auch die Sensibilisierung der Erziehungsberechtigten zentral: «In vielen Köpfen ist die IV noch immer mit falschen Vorstellungen belegt – als wäre sie nur für schwerwiegende Fälle zuständig. Dabei kann gerade eine frühzeitige Unterstützung durch die IV sehr wertvoll sein, um die Weichen für eine erfolgreiche Zukunft zu stellen.» Géraldine Rossi stimmt zu und ergänzt: «Es geht darum, offen zu sein und die Chancen zu nutzen. Genau das möchten wir mit unserem Projekt ermöglichen.»

  • Seit dem 1. Januar 2022 ist die «Weiterentwicklung der IV» in Kraft: eine Vorlage von Bundesrat und Parlament, die der Invalidisierung vorbeugen und die Eingliederung verstärken soll. Im Zentrum stehen dabei Kinder und Jugendliche sowie Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen. Diese «Weiterentwicklung der IV» bildet den Grundstein für das Projekt «FE CM BB» (Früherfassung Jugendliche Case Management Berufsbildung) der IV-Stelle Zug. Das Hauptziel ist es, gefährdete Jugendliche noch früher – bereits während der obligatorischen Schulzeit – zu erfassen und zu unterstützen. Für die Früherfassung spannt die IV-Stelle Zug mit zwei Partnern zusammen: dem Case Management Berufsbildung vom BildungsNetz Zug und dem Schulpsychologischen Dienst des Kantons Zug.

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